Tatiana Chizhikova benutzt solide und verdichtete choreografische Formen für ihre Arbeiten, während deren emotionaler Inhalt eher komplex und hoch aufgeladen ist. In ihrer neuen Solo-Performance arbeitet sie mit einem einfachen Fundstück, einem Stock. Mit ihm entfaltet sie eine detaillierte Bewegungsrecherche zum Thema Verwurzelung, Erdung oder Taumeln und Verdrängung. Tatiana Chizhikova: „Ich habe einen trockenen Stock gewählt, der früher einmal ein Ast eines Baumes war. Ich bin fasziniert von der Fähigkeit der Bäume, sich festzuhalten und mit ihren Wurzeln tief in den Boden zu wachsen. Der Stock ist für mich eine Art Metapher für diese Fähigkeit und diese lebendige Wurzelbewegung. Als ich diese im Atelier übte, kam mir aber der gegenteilige Gedanke: Der Stock ist trocken, und er würde nie wieder mit Leben gefüllt werden. Als ich mich mit ihm bewegte, spürte ich seine Zerbrechlichkeit, seine Unflexibilität. Jede Kraft würde ihn brechen. In unserem Duett bin ich es, die lebendig ist und verspüre deutlich meine Fähigkeit, mich zu verändern, zu fühlen, zu sehen, zu wählen. Ich bin die Wurzel, diejenige, aus der die Triebe wachsen werden.
In diesem Stück taucht Katya Volkova in den „House Dance“ ein, einen Straßentanzstil mit bemerkenswerten Fußtechniken. Der House-Dance-Stil gehört zur Clubkultur der 90er Jahre, hat aber seine Wurzeln eindeutig in den Schritten und Sprüngen traditioneller afrikanischer Tänze, in kollektiven Rhythmuserfahrungen und dem gemeinsamen Raum eines Rituals. Die Gemeinschaft ist eines der zentralen Themen für Katyas künstlerische Forschung. Sie überträgt ihr Interesse an Sozialität und gemeinschaftlichem Engagement aus dem Straßentanz, den sie lange Zeit praktiziert hat, in einen zeitgenössischen Tanzkontext, der oft skeptisch gegenüber großen affirmativen Erzählungen ist. In ihrem Stück balanciert sie ständig zwischen den Routinen „echter Arbeit“ und der Subversion der Idee des Arbeitens selbst, zwischen Zusammensein und doch entfremdetem Solotänzer. Schließlich verwandelt sich die Bühne in eine Tanzfläche, die allen offen steht, und dieser Übergang kann sich für das Publikum wie eine Herausforderung anfühlen: Sollen wir unsere emotionale und körperliche Anstrengung investieren? Ist es die Arbeit wert?